Überbiss & Distalbiss (vergrößerte Frontzahnstufe): Ursachen, Schweregrade und moderne kieferorthopädische Behandlungsoptionen
Table of Contents
Der Überbiss, Distalbiss oder auch die Unterkieferrückverlagerung – in der Fachsprache als mandibuläre Retrognathie bezeichnet – zählt zu den häufigsten Dysgnathien im Kindes- und Jugendalter. Dabei ist der Unterkiefer im Verhältnis zum Oberkiefer zu weit nach hinten positioniert, was eine vergrößerte Frontzahnstufe (Overjet) zur Folge hat. Die Folge: funktionelle Einschränkungen beim Kauen, Sprechen, eine erhöhte Traumagefahr der oberen Schneidezähne sowie psychosoziale Belastungen durch das äußere Erscheinungsbild.
Klassifikation nach KIG D 1–5
Die kieferorthopädische Indikationsgruppe (KIG) kategorisiert Fehlstellungen nach ihrer Schwere:
D1: Overjet 3–6 mm ohne Gingivakontakt
D2: Overjet 3–6 mm mit Gingivakontakt
D3: Overjet 6–9 mm
D4: Overjet >9 mm
D5: Kombination mit frontalem offenen Biss oder anderen funktionellen Störungen
Bereits ab KIG D3 besteht eine medizinische Notwendigkeit zur Behandlung, die in Deutschland von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird.
👉 Schauen Sie sich unseren ausführlichen Guide über Zahnfehlstellungen an um sich noch weiter zu informieren.
Funktionelle Kieferorthopädie: Wachstumsförderung des Unterkiefers
Ziel der Behandlung ist es, das Unterkieferwachstum zu fördern oder skelettale Fehlverhältnisse auszugleichen. Bei wachsenden Patienten kommen v.a. funktionskieferorthopädische Apparaturen zum Einsatz.
1. Vorschubdoppelplatte (VDP)
Diese herausnehmbare Apparatur besteht aus getrennten Ober- und Unterkieferplatten, die über Führungsdrähte miteinander verbunden sind. Sie zwingt den Unterkiefer in eine Vorschubposition. Studien zeigen signifikante Verbesserungen des Overjets innerhalb von 9–12 Monaten bei konsequenter Tragedauer (12–16 h/Tag) .
2. Monoblock
Einteiliges Gerät, das Unter- und Oberkiefer gleichzeitig beeinflusst. Besonders bei jüngeren Kindern geeignet. Die Wachstumsmodulation erfolgt durch kontinuierliche Vorverlagerung des Unterkiefers in die therapeutische Position.
3. Bionator
Ein Klassiker der ganzheitlichen Kieferorthopädie. Der Bionator wirkt über Muskelaktivität und Körperspannung. Durch das Einwirken auf Zunge, Lippen und Muskulatur soll der Biss funktionell harmonisiert werden. Meta-Analysen zeigen positive Effekte auf die Kieferrelation bei regelmäßigem Tragen .
Festsitzende Apparaturen für ältere Kinder und Jugendliche
Mit zunehmendem Alter und sinkender Compliance kommen festsitzende funktionskieferorthopädische Geräte zum Einsatz. Sie wirken 24/7, unabhängig von der Motivation des Patienten.
4. Herbstscharnier (Herbst-Apparatur)
Ein teleskopartiges Scharnier verbindet Ober- und Unterkiefer und positioniert Letzteren dauerhaft nach vorn. Besonders effektiv bei Jugendlichen mit ausgeprägter mandibulärer Rücklage. Studien belegen signifikante skelettale Effekte auf das Unterkieferwachstum .
5. BioBiteCorrector (BBC)
Moderner Funktionsregler, ähnlich dem Herbstscharnier, aber kleiner, flexibler und komfortabler. Oft in Kombination mit Multibandbehandlung verwendet. Klinische Ergebnisse zeigen vergleichbare Effekte bei besserer Akzeptanz.
6. Jasper-Jumper
Elastischer Stab aus Fiberglas, der an Brackets befestigt wird. Er wirkt wie ein Federsystem, das den Unterkiefer nach vorn drückt. Vorteile: physiologische Bewegung, weniger Kiefergelenkbelastung.
7. MARA-Apparatur (Mandibular Anterior Repositioning Appliance)
Festsitzendes System, das durch seitliche Führungsflächen die Unterkieferprotrusion erzwingt. Weniger komplex als der Herbst, aber ähnlich effektiv. Besonders geeignet bei Patienten mit mäßiger Mitarbeit.
Gummizüge (Elastics)
Intermaxilläre Gummizüge der Klasse II sind eine minimalinvasive Methode zur Korrektur der Frontzahnstufe, insbesondere bei kombiniert dental-skelettaler Fehlstellung. Sie erfordern jedoch eine hohe Patientencompliance (tägliches Tragen 20–22 h), wirken aber schnell und effizient, wenn korrekt eingesetzt.
Fazit: Individuelle Wahl der Apparatur entscheidend
Die Wahl des geeigneten kieferorthopädischen Geräts hängt vom Alter, dem Schweregrad (KIG), dem Wachstumsstatus und der Compliance des Patienten ab. Während herausnehmbare Apparaturen wie der Bionator oder die Vorschubdoppelplatte bei jungen, kooperativen Patienten wirkungsvoll sind, kommen bei geringer Mitarbeit oder fortgeschrittenem Alter festsitzende Systeme wie das Herbstscharnier oder Jasper-Jumper zum Einsatz.
Frühzeitige Diagnose und ein individuell abgestimmtes Therapiekonzept sind der Schlüssel zum erfolgreichen Ausgleich eines Überbisses.
👉 Nutzen Sie die digitale Bissanalyse von BissCheck um eine kostenlose Ersteinschätzung Ihrer Zahnfehlstellung zu bekommen. 📲
Quellen:
Die 3 besten Themen rund um Zahnspangen, Biss & Kieferorthopädie
7 überzeugende Gründe – Warum Zahnzusatzversicherung für Kinder jetzt Sinn macht (2025)
Zahnzusatzversicherungen ergänzen die gesetzliche Krankenversicherung (GKV), die bei Kindern nur bei schweren Fehlstellungen (KIG 3‑5) bestimmte Kosten übernimmt. Leichte Fehlstellungen (KIG 1‑2), moderne Spangen, Aligner oder Retainer sind meist unversichert. Eine maßgeschneiderte Zusatzversicherung schützt vor hohen Eigenkosten und hilft frühzeitig – entscheidend für gesunde Zähne und ein strahlendes Lächeln.
Zahnfehlstellungen: Progenie
Progenie – auch als frontaler Kreuzbiss bekannt – ist eine häufige Kieferfehlstellung, die Ästhetik und Funktion des Kausystems beeinflusst. Erfahre in diesem Artikel alles über Ursachen, Diagnoseverfahren und moderne Therapiemöglichkeiten – von Frühbehandlung bis zur chirurgischen Korrektur bei Erwachsenen.
Schnuller Risiken für Zähne – 5 Wichtige Tipps für Eltern
Schnuller sind für Babys oft eine große Hilfe – doch bei zu langem Gebrauch steigt das Risiko für Zahnfehlstellungen wie offener Biss oder Kreuzbiss. In diesem Artikel erfährst du, was aktuelle Studien zeigen, ab wann der Schnuller schädlich für die Zähne wird und wie Eltern Fehlstellungen vorbeugen können.